99,5 Jahre bis zur Geschlechtergerechtigkeit

Häufig erleben wir in unserer Arbeit, dass Paare, die zugleich Eltern sind, ungewollt in das „Gender-Gap“ tappen: Angetreten mit der Idee, eine Partnerschaft auf Augenhöhe und mit gleichen beruflichen Entwicklungs- (Karriere-) Chancen zu führen, bleibt die Frau zunächst (länger) in der Elternzeit, um die Betreuung der oder des Jüngsten zu gewährleisten. Aber selbst dann, wenn sich Eltern die Elternzeit zu gleichen Teilen untereinander aufteilen, kehrt der Mann mit ganzer Stelle, die Frau in Teilzeit zurück – sie dabei durchaus mit der Idee, die Rolle der Haupternährerin zu einem späteren Zeitpunkt nochmal vom Gatten zu übernehmen.

Spätestens jedoch, wenn weitere Kinder hinzukommen, manifestiert sich ganz ungeplant das traditionelle Rollenverständnis: Weil es das Gewohntere ist, lassen sich die Kinder lieber von der Mutter als vom Vater ins Bett bringen, bei Krankheit versorgen, bespielen etc. In der KiTa sind es meist die anderen Mütter, die beim Bringen und abholen „zusammenglucken“, auch nicht jederMANNs Sache. Und die Familie bracuht das Geld, dass der Mann ob weitgehend unbeschaderter Karriere mehr verdient, jetzt zum Lebensunterhalt, weil das geringere Einkommen der Frau nicht reichen oder zu Einschränkungen des Lebensstandards führen würde, die keine/r gern hinnimmt.

Klar, es gibt auch Ausnahmen, aber häufig läuft das ungewollte Eintauchen in der Mainstream der ausbleibenden Gendergerechtigkeit durch ungleiche Arbeitsteilung bei Kindererziehung genau so.

Forscher haben errechnet, wie lange es wohl dauern würde, bis vollständige Geschlechtergerechtigkeit hergestellt ist – und das Ergebnis ist erschreckend:

“ Wenn die Gleichstellung der Geschlechter im aktuellen Tempo voranschreitet, werden Frauen und Männer erst in 257 Jahren die gleiche wirtschaftlichen Chancen haben“

schreibt Hedda Nier auf der Seite statista.com. Das Unternehmen, dass sich auf die leicht verständliche graphische Aufbereitung von Daten spezialisiert hat, beschreibt das ganze Ausmaß der Problematik in folgender Graphik: .

Infografik: 99,5 Jahre bis zur Geschlechtergerechtigkeit | Statista

In der Besprechung der Graphik heißt es dort weiter: „Das (Ergebnis) geht aus dem aktuellen Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums hervor. Der Wert hat sich seit 2017 deutlich verschlechtert, als es 217 Jahre waren. Wie die Grafik von Statista zeigt, würde die politische Gleichstellung 94,5 Jahre dauern. Im Vergleich dazu sieht es im Bereich Bildung besser aus: Hier dauert es bis zur gleichberechtigten Teilhabe „nur“ 12 Jahre.

Der WEF-Bericht erscheint seit 2006 und bewertet jährlich die Geschlechtergleichstellung. Deutschland schaffte es im aktuellen Bericht das erste Mal seit 2007 wieder in die Top Ten – auf Rang 10. Das liegt vor allem an der höheren politischen Teilhabe von Frauen, 40 Prozent der MinisterInnen sind Frauen. Trotzdem schaffte es Deutschland im Jahr 2006 auf Rang fünf. Angeführt wird das Ranking erneut von Island, wo fast 88 Prozent der Gleichstellungslücken zwischen den Geschlechtern geschlossen sind.

Insgesamt ist der minimale positive Fortschritt der vergangenen Jahre zum Erliegen gekommen. Rechnete das Weltwirtschaftsforum 2016 noch mit 83 Jahren bis zur weltweiten Geschlechtergleichstellung, waren es 2017 wieder 100 Jahre und 2020 99,5 Jahre.“
(Quelle: https://de.statista.com/infografik/11682/der-lange-weg-zur-geschlechtergerechtigkeit/)

Fazit aus unserer Sicht: Es ist kein Drama, sich für die traditionelle Rollenverteilung zu entscheiden, wenn sich die Partner einig sind, das sie das so wollen. Aber blind in das „GenderGap“ zu stolpern ist nicht gut. Paar sollten sich bereits vor Beginn der Familienphase darüber verständigen, welches Familienmodell sie leben wollen und dafür Sorge tragen, dass es nicht bei guten Vorsätzen bleibt. Sonst schreitet die Entfremdung der Sprachlosigkeit über die „normative Kraft des Faktischen“ voran. Das Paar kommt in einem Modus von Unzufriedenheit und wechselseitiger Vorwürfe. Immer noch rechtzeitig genug, um gegenzusteuern. Aber unsere Erfahrung sagt: füher fällt es leichter!